Klimaziele der Bundesregierung nicht mit 1,5°C-CO₂-Budget vereinbar
Berechnungen auf Grundlage der Daten des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) zeigen, wie groß das CO₂-Budget, das Deutschland für die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens noch verbleibt, ist.
Um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf +1,5°C mit einer 67%-igen Eintrittswahrscheinlichkeit zu begrenzen, verbleibt Deutschland nach dem Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) ab 2022 ein maximales CO₂-Restbudget von etwa 2.000 Mio. Tonnen. Da Deutschland im Jahr 2022 657 Mio. Tonnen CO₂ ausgestoßen hat, verbleiben nur noch 1.343 Mio. Tonnen.
Deutschland stößt seit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas vermehrt Kohlenstoffdioxid (CO₂) aus. Das verbleibende Budget ist oberhalb im Diagramm im Verhältnis zu den historischen Emissionen seit 1850 dargestellt.
Das Einhalten des weltweiten CO₂-Budgets im Sinne des Pariser Klimaabkommens ist notwendig, da in der Klimaphysik die ausgestoßene Menge an CO₂ vorgibt, um wie viel Grad die Temperatur ansteigen wird. Der bisherige Treibhausgasausstoß seit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert führte global zu einer Erhitzung von +1,1°C, während sich Deutschland als Landmasse schon um +2,3°C Grad erhitzte.
Fragen und Antworten
Was bedeuten die Eintrittswahrscheinlichkeiten 50 % oder 67 %?
Da sowohl Daten als auch Modelle immer mit Unsicherheiten behaftet sind, werden Ergebnisse von Modellberechnungen immer mit Wahrscheinlichkeiten für ihr Eintreten angegeben.
- 67%-Eintrittswahrscheinlichkeit bedeutet, dass wir in 4 von 6 Fällen den angestrebten Wert treffen und ihn in 2 Fällen verfehlen.
- 50%-Eintrittswahrscheinlichkeit bedeutet, dass wir nur in 3 von 6 Fällen den angestrebten Wert treffen und ihn in 3 Fällen verfehlen.
Ein CO₂-Budget, das auf 50%-Wahrscheinlichkeit basiert, ist etwas größer als ein 67-prozentiges, da mehr Unsicherheiten in Kauf genommen werden und die Chance steigt, die +1,5°C-Grenze zu übersteigen.
Um die Folgen der menschengemachten Erderhitzung abzuschwächen, ist es jedoch wichtig, jedes zusätzliche Zehntel Grad zu vermeiden. Für manche Inselstaaten bedeutet ein weiteres Zehntel Grad zusätzlich zu den +1,5°C den Untergang, ebenso können mögliche Kippelemente wahrscheinlicher ihren Punkt der Unumkehrbarkeit erreichen. In Deutschland würden beispielsweise Hitzewellen häufiger und lang anhaltender werden. Deshalb ist ein CO₂-Budget zu wählen, welches mit höherer Wahrscheinlichkeit gewährleistet, dass die +1,5°C-Grenze eingehalten wird.
Ist die Klimaneutralität 2045 vereinbar mit einem CO₂-Budget von 1343 Mio. Tonnen?
Aus der Sicht der Reduktionspfade: Ja, wenn in Summe nicht mehr als das verfügbare CO₂-Budget verbraucht wird.
Man kann das CO₂-Budget von 1343 Mio. Tonnen so strecken, dass es bis 2045 reicht. Für die Umsetzung sind allerdings massive Emissionsreduktionen ab dem Jahr 2023 notwendig. Welcher Reduktionspfad gewählt wird, ist eine politische Entscheidung. Um die Reduktionsziele zu erreichen, müssen viele Maßnahmen gleichzeitig umgesetzt werden. Beispielsweise müssen die erneuerbaren Energieträger rasant ausgebaut werden und massive Emissionseinsparungen im Verkehrs- und Industriesektor erfolgen.
Welche Bedeutungen hat das CO₂-Budget?
Das CO₂-Budget ist eine messbare Menge, wodurch wir nachvollziehen können, ob die Weltgemeinschaft, aber auch Deutschland, die CO₂-Emissionen ausreichend reduziert. Es gibt Ländern und Sektoren (wie Verkehr, Energie, Industrie etc.) Planungssicherheit für ihre Klimaschutzmaßnahmen.
Eine weitere Rolle spielt das Budget vor Gericht, so hat das Deutsche Bundesverfassungsgericht 2021 in seinem Urteil zur Verfassungsbeschwerde gegen das deutsche Klimaschutzgesetz, sich auf das berechnete deutsche CO₂-Budget bezogen:
»Ein umfangreicher Verbrauch des CO₂-Budgets schon bis 2030 verschärft jedoch das Risiko schwerwiegender Freiheitseinbußen, weil damit die Zeitspanne für technische und soziale Entwicklungen knapper wird, mit deren Hilfe die Umstellung von der heute noch umfassend mit CO₂-Emissionen verbundenen Lebensweise auf klimaneutrale Verhaltensweisen freiheitsschonend vollzogen werden könnte.« - Bundesverfassungsgericht (2021)